Bericht zur Exkursion 2024

Letztes Jahr führte uns unsere Exkursion in den Süden (Augsburg), dieses Jahr waren wir in Kiel.

Begonnen hat unsere Exkursion am Donnerstag 13.06.2024 mit dem Treffen am Nachmittag vor dem alten Kieler Rathaus, wo wir von Herrn Wesselmann und Herrn Kuhlmann von der Stabsstelle Mobilität der Stadt Kiel empfangen wurden. Thema des ersten Programmpunktes war die Vorstellung und Diskussion zu den Planungen der Stadtbahn Kiel.

Bei der Stadtbahn Kiel geht es um den Neuaufbau eines kompletten Stadtbahnnetzes mit am Ende 36 km Streckenlänge. Eine Größenordnung, die bislang nichts Vergleichbares in Deutschland findet.

Für die doch eher Fahrzeugtechnik geprägten Teilnehmer des FSH e.V. war es sehr interessant zu hören, welche weiteren Einflussgrößen solch eine Planung bestimmen. Nicht nur, dass bei der angestrebten Planung von Fassade zu Fassade das sichtbare (Bäume, Straßen, Maststandorte) und unsichtbare (Leitungen, Wegebeziehungen, Privatgrund) Umfeld zu berücksichtigen ist. Auch ist immer im Auge zu behalten, die Bevölkerung abzuholen und zu bewerten, wie die ganzen wünschenswerten Gestaltungsdetails zu finanzieren sind.

Gruppenbild altes Rathaus Kiel

Dazu kommen verwaltungstechnische Zwangspunkte wie Förderung des Projektes, die aktuelle Politik, die hinter dem Projekt stehen muss, und ein Zeithorizont für die Umsetzung, zumindest der ersten für die Bevölkerung real sichtbaren und nutzbaren Ergebnisse. Liegt dieser zu weit in der Zukunft, glaubt keiner an das Projekt, die notwendige Unterstüzung in der Bevölkerung fehlt.

Mit der Fachexpertise des zuhörenden Publikums wurden die Planungen zu den Fahrzeugen und Streckenparametern kritisch diskutiert.

Wenn man dann bedenkt, wie wenige Aktive direkt am Projekt dahinterstehen, ist es schon eine enorme Leistung, dieses Projekt in bislang gutem Fortschritt in Kiel vorangebracht zu haben.

Mit einem gemeinsamen Pizzaessen in der Innenstadt von Kiel endete der erste Tag der Exkursion.

Treffpunkt am zweiten Tag war vor dem Werkstor von Vossloh Rolling Stock. Nachdem vor einigen Jahren der Umzug vom früheren Standort in Kiel Friedrichsort nach Kiel Suchsdorf erfolgt ist, wurde uns die neu aufgebaute Produktion von Diesellokomotiven vorgestellt. Schwerpunkt der Fertigung ist aktuell die erfolgreiche dieselelektrische Baureihe DE18. Aber auch die Zukunft in Form der Modula-Plattform am Beispiel des ersten Prototypen, welcher in Zusammenarbeit mit dem neuen Eigentümer von Vossloh, der CRRC aus China entstand, konnte auf dem Freigelände begutachtet werden.

Nach einem kurzen Mittagsimbiss ging es weiter an den Nord-Ostsee-Kanal zum Werksgelände der Voith Turbo Lokomotivtechnik. Hier war in den letzten Jahren ein neuer Fertigungsstandort für Diesellokomotiven der Maxima- und Gravita-Familie aufgebaut worden. Nachdem nach rund 150 gebauten Fahrzeugen der Neubau aufgegeben wurde, ist der Standort heute ein Service-Stützpunkt für die Instandhaltung.

Björn Harschek begrüßte uns und stellte uns zuerst den Standort und seine Aufgaben vor. Anschließend begaben wir uns auf den Weg durch die Hallen des Standorts.

Nicht nur an von Voith gefertigten Triebfahrzeugen, sondern auch für Kunden mit Fahrzeugen anderer Hersteller wird die Instandhaltung durchgeführt, Schäden, auch an GFK-Bauteilen, repariert und Ersatzteile vorgehalten. So konnten unter anderem Drehgestelle, Radsätze und Getriebe in Aufarbeitung für Lokomotiven der V90 Baureihen-Familie gesehen werden. Ebenso in Arbeit waren für Revisionen und Neulackierung Lint-Triebzüge und ehemalige 424er der S-Bahn Hannover, letztere aktuell in Aufarbeitung für die S-Bahn Köln.

Bei schönstem Wetter im Biergarten endete dieser zweite Tag der Exkursion.

Der Samstag begann mit der Vorstellung der Akkunetze Schleswig-Holstein.

Ruth Niehaus und Jochen Schulz vom nah.sh (Nahverkehrsverbund Schleswig-Holstein) führten unter der Überschrift “Elektrisch ohne Oberleitung” durch die Thematik.

Akkutriebwagen

Was macht das Netz so besonders? Rund 70% des Schienennetzes in Schleswig-Holstein sind nicht elektrifiziert; dazu kommt ein hoher Anteil eingleisiger Strecken. Dadurch waren erhebliche Investitionen in die Infrastruktur erforderlich. Dank günstig platzierter Oberleitungsinseln zum Nachladen kann das Netz mit Akkutriebwagen (BEMU : Battery-electric multiple unit) betrieben werden. Als Auslegung sind 80 km Reichweite ohne Nachladen angesetzt.

Die Zeiten, in denen durch Ausschreibungen günstigere Preise zu erreichen sind, sind vorbei. Um mehr Wettbewerb zu haben, wurde eine Loslimitierung festgelegt. Es kamen die Nordbahn (Netz Nord und Netz Ost-West) sowie Erixx Holstein (Netz Ost) zum Zug. Zudem erfolgten weitere Einzelvergaben, die letztendlich zu 4 Vertragspartnern (Hersteller, Instandhalter, Eigentümer, EVU) mit dem Land führten.

Außerdem wurde durch das Land/nah.sh eine Transferflotte gesichert, da die für die Teilnetze benötigten 55 Neufahrzeuge (Stadler Flirt Akku) nicht von Anfang an dem Betrieb zur Verfügung stehen konnten. Die Transferflotte besteht aus den bisher durch DB Regio eingesetzten LINT41-Fahrzeugen.

Was sind die Erfahrungen aus der Betriebsaufnahme in den Netzen und dem angelaufenen Betrieb mit den neuen Fahrzeugen?

  • DB Netz (heute DB InfraGO) konnte für den ambitionierten Zeitplan zum Ausbau der Infrastruktur und dem Bau der Oberleitungsinseln gewonnen werden. Umsetzung weitgehend im Zeitplan.

  • Die neuen BEMU-Fahrzeuge sind da und fahren. Verzögerungen konnten durch die (unverzichtbare) Transferflotte aufgefangen werden.

  • Der Betrieb durch EVU und Instandhalter läuft. Fahrzeugunabhängige Personalprobleme haben die Betriebsaufnahme überschattet. Die neue Fahrzeugtechnik braucht besondere Aufmerksamkeit. Zum Beispiel dass der Triebfahrzeugführer vergisst, die den Stromabnehmers rechtzeitig abzusenken, was öfter vorkommt als erwartet. Aus heutiger Sicht würde dafür ein Fahrerassistenzsystem (z.B. über GPS mit zu bestätigender Meldung zum Senken des Stromabnehmers) vorgesehen werden. Nachträglich dies in die Steuerung zu implementieren hätte gravierende Auswirkung auf die Zulassung der Fahrzeuge. So bleibt die Hoffnung auf die Lernkurve.

Nach dem Vortrag ging es zur Erprobung am lebenden Objekt. Wir fuhren mit einem der neuen Flirt Akku von Kiel Hbf nach Kiel Oppendorf. Aufgrund des regnerischen (Kieler) Wetters verkleinerte sich die Gruppe hier. Der harte Kern nahm nun den Bus und fuhr bis zum Schönberger Strand. Wer wollte, konnte sich das Gelände und die dort frei zugänglich abgestellten Fahrzeuge des Vereins Verkehrsamateure und Museumsbahn e. V. ansehen, einen kurzen Spaziergang am Strand der Ostsee unternehmen oder einfach nur einkehren.

Museumbahn Schönberger Strand

Anschließend ging es weiter mit dem Bus nach Laboe. Das Wetter zeigte sich auch wieder von seiner schöneren Seite. Geschichte stand jetzt auf dem Programm; wir besuchten gemeinsam das Museum Marine-Ehrenmal. Es wurde von 1927 bis 1936 als Kriegerdenkmal für die im Ersten Weltkrieg gefallenen deutschen Marinesoldaten errichtet. Später kam das Gedenken an die im Zweiten Weltkrieg gefallenen Angehörigen der Kriegsmarine hinzu.

Kiel Laboe

Mit der Personenfähre ging es durch die Kieler Bucht, vorbei am alten MaK Fabrikgelände in Friedrichsort, zurück nach Kiel.

Fähre Kieler Förde

Nach dem anschließenden gemeinsamen Abendessen endete die Exkursion diesmal bereits an einem Samstag Abend aufgrund der teils weiten Rückreisewege der Teilnehmer.

Ein herzlicher Dank an dieser Stelle an die Organisatoren im FSH e.V. für die gelungene Exkursion sowie die Ansprechpartner bei dem Unternehmen und Verbänden, die ihre Freizeit geopfert haben, uns Interessierten ihre Passion vorzustellen und mit uns zu diskutieren.

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